Früher habe ich soetwas ja gesammelt. Flugblätter z. B. von dem alten Mann, der abwechselnd in Fußgängerzonen oder der technischen Fakultät vom großen Irrtum und der Täuschung unserer Kinder durch die moderne Physik kündete ("wenn die Atome hauptsächlich aus leerem Raum bestünden, müsste ja alles durchsichtig sein!!!"). Nach seinem Bekunden hatte er schon tausende Schulen und Universitäten deswegen angeschrieben (was ich glaube), und der Skandal: "Es wird totgeschwiegen! Ich fordere den Kultusminister auf, sich der öffentlichen Diskussion zu stellen!!! Im Fernsehen!!!!!" (Die Verwendung von möglichst vielen Schriftstilen und Ausrufezeichen scheint zu dieser Art von "Aufklärung" meist dazuzugehören, genauso wie die entsprechenden, selbst verlegten Bücher.)

Oder das Flugblatt, gefunden in einer Telefonzelle, auf der einer, dessen Gedanken seit Jahren von Geheimdiensten abgehört werden, nach anderen Betroffenen sucht, um deswegen gemeinsam eine Menschenrechtsklage beim europäischen Gerichtshof einzureichen.

Oder der Typ, der hunderte Exemplare seines Büchleins in der Unibibliothek "liegen ließ", darin die endgültige Weltformel beschreibend, mit der sich u. A. alle wirtschaftlichen Probleme und kriegerischen Auseinandersetzungen lösen würden.

Mich faszinieren diese Schriften. Im Detail oft brilliant und intelligent, aber in ihren Schlüssen haarscharf bis meilenweit an der Wirklichkeit vorbei. Ein seltsamer Mix aus Verschwörungstheorie und Ur-Misstrauen, Kritikresistenz, Technikfeindlichkeit und Sehnsucht nach einfachen Erklärungen in einer unerklärlichen Welt. Und ich denke mir immer, wie nah man doch selbst an so einem Zustand ist, und wie wenig vielleicht fehlt, um diese Grenze zu überschreiten...