Montag, 8. November 2004

»symbolic suicide«

»A 25-year-old from Georgia who was distraught over President Bush's re-election apparently killed himself at Ground Zero.

Andrew Veal's body was found Saturday morning inside the off-limits area of the former World Trade Center site, said Steve Coleman, a spokesman for the Port Authority of New York and New Jersey.
A shotgun was found nearby, but no suicide note was found, Coleman said.
Veal's mother said her son was upset about the result of the presidential election and had driven to New York, Gus Danese, president of the Port Authority Police Benevolent Association, told The New York Times in Sunday's editions.
Friends said Veal worked in a computer lab at the University of Georgia and was planning to marry.
"I'm absolutely sure it's a protest," Mary Anne Mauney, Veal's supervisor at the lab, told The Daily News. "I don't know what made him commit suicide, but where he did it was symbolic."
Police were investigating how Veal entered the former World Trade Center site, which is protected by high fences and owned by the Port Authority.«

(quelle: CNN; via jurablog)

»kleine lektion in sachen recht & moral«

opfer des radikalenerlasses: Michael Csaszkóczy»In Baden-Württemberg lebt der längst totgeglaubte Radikalenerlass wieder auf: Das Stuttgarter Kultusministerium lehnt die Einstellung eines Lehramtsbewerbers ab, der als zu links gilt.«
so titelte der Uni-SPIEGEL am 18. Oktober und berichtete von dem fall des lehramtsanwärters Michael Csaszkóczy, der in baden-württemberg trotz mit bravour bestandenem zweiten staatsexamen nicht in den schuldienst übernommen werden soll - »wegen Zweifel an seiner Verfassungstreue«.
»Fast vergessen schien der Radikalenerlass aus der Ära des SPD-Kanzlers Willy Brandt. Auf dieser umstrittenen Rechtsgrundlage sollten einst Extremisten aus dem Öffentlichen Dienst fern gehalten oder herausgedrückt werden; der Erlass traf zumeist Mitglieder der moskautreuen DKP.

Mit dem Kommunismus dieser Schule konnte Csaszkóczy nie viel anfangen; er wird von Verfassungsschützern den so genannten Autonomen zugerechnet. Kein Zweifel: Er ist ein radikaler Linker. Aber ist er zu links für den Staatsdienst?

Begegnungen mit älteren Heidelbergern, die dem Widerstand gegen Hitler angehört hatten, prägten Csaszkóczy noch in seiner Schulzeit. Als Ende der achtziger Jahre landauf, landab Neonazis auf Straßen grölten und rechtsradikale "Republikaner" in die Landesparlamente einzogen, "war für mich klar, wo ich stehe", sagt der Pädagoge.
[...]
Seine politische Heimat fand Csaszkóczy bei der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD), einem ziemlich bedeutungslosen Grüppchen von ein paar Dutzend Aktiven, das der Verfassungsschutz als linksextremistisch einstuft.«

in der tat scheint Csaszkóczy niemals durch gewalttätigkeit aufgefallen zu sein. sein name wird allenfalls in ein paar linksextremistischen postillen erwähnt. dies und seine bloße teilnahme an diversen demonstrationen waren für den verfassungsschutz offenbar ausreichend, eine akte anzulegen und nun prompt weiter zu lancieren, als es um seine einstellung in den schuldienst ging. »Wie ein Sammelsurium von Banalitäten liest sich das Papier«, so der SPIEGEL weiter, »eher kläglich wirkt der Versuch, einen Staatsfeind zu kreieren.«
»Es sind vor allem zwei Sätze in einer Art Grundsatzpapier der Heidelberger Antifaschisten, die Csaszkóczy letztlich zum Verhängnis wurden: "Militanz, die sich durch angemessene Zielgerichtetheit, permanente Selbstreflexion, konsequente Abwägung und hohes Verantwortungsbewusstsein der Agierenden auszeichnet, betrachten wir als legitimes Mittel im Kampf um Befreiung", heißt es da. Und: An "den herrschenden Unterdrückungsverhältnissen" werde sich auf parlamentarischem Weg "nichts Grundlegendes ändern".
[...]
Der Pädagoge räumt ein, dass die revolutionär anmutende Rhetorik "problematisch" ist. In einer anderthalbseitigen schriftlichen Erklärung für die Kommission hatte Csaszkóczy daher versichert, "Gewalt gegen Menschen oder Sachen" abzulehnen.

Die Heidelberger AIHD verstehe ihre Arbeit zudem als "parteiunabhängig", richte sich aber nicht gegen Parteien und Parlamente überhaupt. "Pauschal distanzieren wollte ich mich von unserer Plattform dennoch nicht", sagt er. "Wie kann man prinzipiell gegen Gewalt sein, wenn man die Gewalt der Widerständler gegen Hitler für moralisch geboten hält und feiert?"«

dass der oben zitierte satz über »militanz im kampf um befreiung« mindestens einen widerspruch in sich enthält, die bundesrepublik kein verbrecherisches system darstellt, den autonomen somit die rechtfertigung zum militanten widerstand fehlt und daher nicht nur die »rhetorik«, sondern auch das dahinterstehende weltbild des kandidaten etwas verschroben erscheint, gibt freilich anlass zur diskussion. schließlich heißt es in einer maßgeblichen verwaltungsvorschrift (PDF, 122 kb) des innenministeriums zur durchführung des landesbeamtengesetzes (LBG):
»Die politische Treuepflicht gebietet, den Staat und seine geltende Verfassungsordnung zu bejahen und dies nicht bloß verbal, sondern insbesondere in der beruflichen Tätigkeit dadurch, dass der Beamte die bestehenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorschriften beachtet und erfüllt und sein Amt aus dem Geist dieser Vorschriften heraus führt. Die politische Treuepflicht fordert mehr als nur eine formal korrekte, im Übrigen aber uninteressierte, kühle, innerlich distanzierte Haltung gegenüber Staat und Verfassung. Sie fordert vom Beamten insbesondere, dass er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren. Vom Beamten wird erwartet, dass er diesen Staat und seine Verfassung als einen hohen positiven Wert erkennt und anerkennt, für den einzutreten sich lohnt (BVerfGE 39, 334).«
die regeln sind also klar und - bitteschön! - auch verständlich dargelegt. und solange lehrer beamtenstatus haben, also per definitionem »diener des staates« sind, stellt sich meines bescheidenen erachtens nach die frage, »ob so einer lehrer werden darf«, gar nicht erst bzw. beantwortet sich von selbst: nein, natürlich nicht!

die frage, die zu diskutieren wäre, ist höchstens die: müssen oder sollten lehrer unbedingt beamte sein?

mehr hintergrundinfos zum fall Csaszkóczy wie auch zu berufsverboten im allgemeinen gibt es übrigens hier und hier.

p.s.: ganz anders, liebe SPIEGEL-leser, liegt hingegen der fall des (parteilosen) braunschweiger ex-waldorflehrers, der nach acht jahren den schuldienst quittiert hat, um künftig für die NPD zu arbeiten. ja, das entsetzen ist groß, denn:
»Von seiner rechten Gesinnung ahnte laut [schulleiter] Kropp niemand etwas an der Schule [...]. "Diese politische Einstellung und das Konzept der Waldorfschule passen nicht zusammen", sagte Kropp. Auch wenn es nie Beschwerden gegeben habe, so habe Molau jedoch genau gewusst, dass er damit die Toleranzschwelle überschreite.«
ein skandal? naja, mit etwas mühe (die sich der SPIEGEL in seinem artikel auch redlich gibt) vielleicht. ein verstoß gegen geltendes dienstrecht? wohl kaum.

»google-journalismus«

»Der Leipziger Journalistikprofessor Marcel Machill sieht im wachsenden Vertrauen vieler Journalisten auf das Internet die Recherchequalität gefährdet. "Eine gute Recherche kann zwar bei einer Suchmaschine wie Google anfangen, doch darf sie dort nicht enden. Wer sich auf nur eine Quelle verlässt, ist schnell verlassen", sagte Machill im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Insgesamt habe sich Online-Journalismus seit dem Beginn 1994 zu einer gleichberechtigten Säule neben Printmedien, Rundfunk und Nachrichtenagenturen entwickelt.

[...] Zwar stellten mittlerweile immer mehr Zeitungen und Rundfunkanstalten eine Auswahl ihrer Inhalte ins Internet, doch die technischen Möglichkeiten würden bei weitem nicht ausgeschöpft. "Wer mittelfristig erfolgreich sein will, muss auch in eine eigene Redaktion investieren." Es reiche nicht, Zeitungsartikel eins zu eins online zu stellen.

Dass Online-Journalismus die von der Medienkrise angeschlagenen Zeitungshäuser weiter bedrohen könnte, glaubt Machill nicht. "Auch beim Aufkommen des Fernsehens hatte man geglaubt, das Radio werde bald verschwinden. Doch noch nie hat ein neues Medium ein altes verdrängt." Vielmehr vertraue das Publikum auch bei der Nachrichtenauswahl im Internet auf altbewährte Marken. Bei bedeutenden Themen wie den Terrorattentaten vom 11. September 2001, dem Irakkrieg oder den gerade zurückliegenden Präsidentschaftswahlen in den USA zeige sich die Stärke des Journalismus im weltweiten Netz. "Neue Beiträge können schnell und kostengünstig publiziert werden. An fast jedem Ort der Welt sind sie durch wenige Mausklicks abrufbar."

Außerdem könnten die Online-Redaktionen auf das Interesse der Nutzer reagieren, da die Zugriffe der Nutzer Machill zufolge ausgewertet würden. "Das ist eine neue, nie da gewesene Form der Interaktivität. Bislang war eine zeitlich verzögerte Rückkopplung nur über Leserbriefe möglich."«

(Quelle: heise.de; via [i:rrhoblog])

man beachte auch die rührige diskussion im heise-forum!

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