geist & zeit

Montag, 8. November 2004

»google-journalismus«

»Der Leipziger Journalistikprofessor Marcel Machill sieht im wachsenden Vertrauen vieler Journalisten auf das Internet die Recherchequalität gefährdet. "Eine gute Recherche kann zwar bei einer Suchmaschine wie Google anfangen, doch darf sie dort nicht enden. Wer sich auf nur eine Quelle verlässt, ist schnell verlassen", sagte Machill im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Insgesamt habe sich Online-Journalismus seit dem Beginn 1994 zu einer gleichberechtigten Säule neben Printmedien, Rundfunk und Nachrichtenagenturen entwickelt.

[...] Zwar stellten mittlerweile immer mehr Zeitungen und Rundfunkanstalten eine Auswahl ihrer Inhalte ins Internet, doch die technischen Möglichkeiten würden bei weitem nicht ausgeschöpft. "Wer mittelfristig erfolgreich sein will, muss auch in eine eigene Redaktion investieren." Es reiche nicht, Zeitungsartikel eins zu eins online zu stellen.

Dass Online-Journalismus die von der Medienkrise angeschlagenen Zeitungshäuser weiter bedrohen könnte, glaubt Machill nicht. "Auch beim Aufkommen des Fernsehens hatte man geglaubt, das Radio werde bald verschwinden. Doch noch nie hat ein neues Medium ein altes verdrängt." Vielmehr vertraue das Publikum auch bei der Nachrichtenauswahl im Internet auf altbewährte Marken. Bei bedeutenden Themen wie den Terrorattentaten vom 11. September 2001, dem Irakkrieg oder den gerade zurückliegenden Präsidentschaftswahlen in den USA zeige sich die Stärke des Journalismus im weltweiten Netz. "Neue Beiträge können schnell und kostengünstig publiziert werden. An fast jedem Ort der Welt sind sie durch wenige Mausklicks abrufbar."

Außerdem könnten die Online-Redaktionen auf das Interesse der Nutzer reagieren, da die Zugriffe der Nutzer Machill zufolge ausgewertet würden. "Das ist eine neue, nie da gewesene Form der Interaktivität. Bislang war eine zeitlich verzögerte Rückkopplung nur über Leserbriefe möglich."«

(Quelle: heise.de; via [i:rrhoblog])

man beachte auch die rührige diskussion im heise-forum!

Samstag, 6. November 2004

»wenn wir glück haben...«

»..., wird [Bush] Berater ernennen, die aus der Zeit nach dem 11. September 2001 den Schluß gezogen haben, daß Weltmachtpolitik nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie - vielleicht ganz entgegen den religiösen Überzeugungen des Präsidenten - als Politik mit der Welt und in der Welt vorgetragen wird. Der Traum von einem an den Vereinten Nationen vorbei seine eigene Weltordnung durchsetzenden und tragenden amerikanischen Reich ist ausgeträumt - weil zu wenige Länder und ihre Regierenden bereit waren, sich auf diese ja durchaus mögliche Vision einzulassen.«
etwas müder, bemüht optimistischer schluss eines ansonsten sehr lesenswerten artikels von Hans-Ulrich Gumbrecht über die amerikanische mentalitätskrise nach der wahl.

»gb-frust«

»Wer kennt das nicht? Man überprüft sein Gästebuch auf neue Einträge. Dabei sind auch solche wirklich ehrlicher Art. Aber immer häufiger liest man Zeilen wie "Gute Seite, weiter so" und Ähnliches.

Manche Besitzer einer eigenen Homepage machen sich auch die Mühe und verfassen einen schönen, langen und lobenden Eintrag. Nur ärgerlich, daß man diesen im gleichen Wortlaut in vielen, vielen anderen Gästebüchern im Web wiederfindet. Aber es ist ja sooo einfach. Den Text in die Zwischenablage kopieren und dann in jedes Gästebuch, das man unterwegs findet.«

aus frust über diese wahrlich unglaublich unselige unsitte hat sich nun eine initiative »gegen copy & paste in gästebüchern« gegründet, die ja auch ganz nett sein könnte, wenn - jaaa, wenn diese leute ihre sache bloß nicht so bierernst nehmen würden...

p.s.: erinnert das nicht entfernt auch an den »kommentarspam«- bzw. »falschlinker«-frust, der sich derzeit in der blogosphäre ausbreitet?

»das große feiertag-bashing«

nochmal zur feiertagsdebatte:

nachdem sich kanzler und finanzminister ob der gescheiterten streichung des 3. oktober (nicht des »tags der deutschen einheit«, wie die meisten medien behauptet haben!) in die schmollecke verzogen haben, dürfen nun CDU und BDI mit folgendem vorschlag auftrumpfen:
»Man könne den Dreikönigstag streichen, heißt es aus der CDU, oder den 1. Mai. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) rechnet vor, dass die Rückkehr zur 40-Stunden-Woche sogar einer Streichung von elf Feiertagen gleich käme.

[...]
Die von der Regierung geplante Verlegung des Tags der deutschen Einheit auf einen Sonntag hätte [BDI-Präsident] Rogowski für "vertretbar" gehalten. "An einem Sonntag können wir uns doch genauso über die Einheit freuen", sagte er. Dies gelte jedoch auch für den 1. Mai. "Welcher Feiertag wäre uns eigentlich wichtiger: Der, den uns die ostdeutschen Bürgerrechtler beschert haben, oder der, den wir bekanntlich von Adolf Hitler 'geschenkt' bekommen haben?" frage er.«

(Quelle: ZDF/dpa u.a.)

und wieder lebt der mythos. mal davon abgesehen, dass herr R. freilich geflissentlich übersieht, dass der 1. mai der einzige nicht-religiöse international begangene feiertag ist - ihn als »geschenk Hitlers« darzustellen und damit als überbleibsel aus »finsterer zeit« zu brandmarken, ist »bekanntlich« ungefähr genauso wahr wie die autobahn-legende. aber wer weiß, vielleicht ist der herr R. ja prinzipientreu und benutzt daher keine autobahnen?

gegen die abschaffung eines feiertages ist im grunde natürlich nichts einzuwenden, aber die herren diskutanten sollten sich doch lieber auf sachliche und vernünftige argumente beschränken. und nebenbei ein wenig nachhilfe in deutscher geschichte zu nehmen, wäre wohl auch keine schlechte idee...

p.s.: abschaffen ja, aber welchen feiertag denn nun? also, mir persönlich gefällt der vorschlag von herrn Schorlemmer bislang am besten:
»"Mein Favorit ist der Himmelfahrtstag. Ich denke, die Männer können auch am Sonntag drauf Fahrrad fahren und saufen."«
(Quelle: s.o.)

»polite fiction«

»One of my favorite concepts in anthropology is that of the polite fiction. It's something nobody believes, but we all pretend to because it makes life so much easier. My favorite example was of a Pygmy couple. Pygmy divorce involves quite literally breaking up the home: the couple tears apart their house (it's easy - the houses are made of leaves) and once it's down, the union is dissolved. One anthropologist was watching a long-married couple have a fight. It escalated until the wife threatened to leave, and the husband yelled something along the lines of "Fine!" and there was nothing the wife could do but start tearing down the house. She began tearing the roof off, clearly miserable. The husband looked wretched too, but at this point neither could back down without losing face and by now the whole village was watching.

Finally, the husband called out the Pygmy equivalent of "You're right, honey! The roof is dirty! It'll look much better once we get those leaves washed!" The two of them started carrying leaves down to the river, soon with the help of the whole village, and then washed and rebuilt the whole roof. When the anthropologist later discreetly asked how often one washes the roof, everyone looked at him like he was a complete doofus.

The polite fiction of the porn section is that, while people do generally use porn for the purpose of masturbation, there is no reason to believe that this particular customer will be doing so. He could be using them for his Master's thesis. Hell, he may not get around to watching them at all. We all like to believe that. When it becomes all too clear to everyone involved that said customer did, in fact, not only lube up, watch the tape, stroke himself to orgasm, and then grab the goddamned thing without even taking the basic courtesy of washing his goddamned hands first, we all get uncomfortable.

On the other hand, he gets angry because he's ashamed of something that was entirely avoidable and his own fault. I'm supposed to keep my temper even though I've just put my hand in a wad of his semen.

The destruction of the polite fiction is what creeps me out about one of my weekend regulars. He comes in when I open at nine, then chooses and rents two movies. He leaves for exactly two movies' worth of time, then returns them before four to get the matinee special. I hate it because there's no way to pretend he's been doing anything else. I just hope to God there's been a hand washing between him and me. I think there is, because his tapes are always clean, but it still gives me the shivvers and sends me straight to the hand sanitizer. It's just too much to know.«

(aus dem tagebuch einer pornovideothekangestellten; via sheep-on-a-meadow)

Freitag, 5. November 2004

»weapons are fun«

in der aktuellen ausgabe des mitgliedermagazins von amnesty international beschäftigt sich Sumit Bhattacharyya mit dem amerikanischen »assault weapons ban«. dieses 1994 erlassene gesetz (nähere erläuterungen z.b. hier und hier) verbietet den besitz und verkauf von halbautomatischen waffen an zivilisten und wird »nach jüngsten umfragen [...] von 68 prozent der amerikaner befürwortet«. und nun folgendes problem:
»Von Anfang an hatte der „Assault Weapons Ban“ eine Laufzeit von zehn Jahren, er hätte diesen Sommer [...] erneuert werden müssen. Allerdings ist dieses Gesetz ein Opfer des US-Wahlkampfs geworden, denn keiner der beiden Präsidentschaftskandidaten möchte sich eine Blöße vor der Waffenlobby geben. Präsident Georg W. Bush erklärte, er werde einer Verlängerung des Verbots von halbautomatischen Waffen zustimmen, sofern der mehrheitlich republikanisch besetzte Kongress eine solche Gesetzesinitiative vorlege. Doch in Zeiten eines harten Wahlkampfs vermeiden die Abgeordneten das kontroverse Thema. Selbst bekannte Waffengegner unter den Parlamentariern trauen sich derzeit nicht, eine Verlängerung einzubringen.

„Das ist doch Wahnsinn. Niemand kann ein unveräußerliches Recht haben, mit einer Maschinenpistole in der Gegend herumzurennen”, argumentiert Polizeichef Bratton aus Los Angeles. [...] Tatsächlich sterben in den USA jährlich mehr als 10.000 Menschen durch Schusswaffen, darunter rund 3.000 Kinder und Jugendliche. Für sie sind Waffen die zweithäufigste Todesursache.

Der demokratische Präsidentschaftskandidat John Kerry macht Präsident Bush für das Auslaufen des „Assault Weapon Bans“ verantwortlich. Allerdings ist es um seine Glaubwürdigkeit in diesem Punkt nicht zum Besten bestellt, denn Kerry, der sich in seinen 20 Jahren als Senator immer als Gegner der Waffenlobby profilierte, präsentiert sich seit neuestem als „lebenslanger Jäger und Waffenbesitzer“, auf einem Wahlplakat ist er mit einem Gewehr in der Hand zu sehen. Erstmals wird in einem Wahlprogramm der Demokraten das Recht auf eine Waffe explizit betont.«

gegner des »ban« (oder besser gesagt: befürworter des besitzes halbautomatischer waffen, im volksmund auch »waffennarren« genannt) werten den ausgang der amerikanischen wahlen und ergo die wiederwahl Bushs nun offenbar als gutes zeichen in eigener sache. auf AWbansunset.com ist so etwa zu lesen:
»Regarding the Senate, where a renewal of the AWB passed by a thin margin of only a couple of votes, attempts to reinstate the ban in 2005 are going to have an even tougher road in that body now. Retiring Senators who recently voted for the ban renewal in South Carolina, North Carolina, Louisiana, and Florida have been replaced by pro-gun, anti-AWB Republicans.«
doch warum, mögen sich nicht nur europäer fragen, sollte jemand überhaupt interesse daran haben, solche waffen zu besitzen? nun, die antwort der waffennarren ist sehr einfach:
»There are many answers to that question. It’s kind of like asking a car enthusiast why they would ever want to own a 425 horsepower 1968 Corvette Stingray. There are many reasons, some objective, some emotional. All of them legitimate, at least to the driver.
In many ways, military style rifles are the “sports cars” of the gun world. They are noisy, fast, fun and they are “attention getters.”«

mal ehrlich: was sind dagegen schon 10.000 menschenleben per annum?

»it's an american thing...«

okay, wie soll ich's denn lassen, wenn er's nicht lassen kann? ;o)
»17 Reasons Not to Slit Your Wrists...
by Michael Moore

Dear Friends,
Ok, it sucks. Really sucks. But before you go and cash it all in, let's, in the words of Monty Python, “always look on the bright side of life!” There IS some good news from Tuesday's election.
Here are 17 reasons not to slit your wrists:

[...]
3. The only age group in which the majority voted for Kerry was young adults (Kerry: 54%, Bush: 44%), proving once again that your parents are always wrong and you should never listen to them.

4. In spite of Bush's win, the majority of Americans still think the country is headed in the wrong direction (56%), think the war wasn't worth fighting (51%), and don’t approve of the job George W. Bush is doing (52%). (Note to foreigners: Don't try to figure this one out. It's an American thing, like Pop Tarts.)

[...]
6. Michigan voted for Kerry! So did the entire Northeast, the birthplace of our democracy. So did 6 of the 8 Great Lakes States. And the whole West Coast! Plus Hawaii. Ok, that's a start. We've got most of the fresh water, all of Broadway, and Mt. St. Helens. We can dehydrate them or bury them in lava. And no more show tunes!

[...]
8. 88% of Bush's support came from white voters. In 50 years, America will no longer have a white majority. Hey, 50 years isn't such a long time! If you're ten years old and reading this, your golden years will be truly golden and you will be well cared for in your old age.

9. Gays, thanks to the ballot measures passed on Tuesday, cannot get married in 11 new states. Thank God. Just think of all those wedding gifts we won't have to buy now.

10. Five more African Americans were elected as members of Congress, including the return of Cynthia McKinney of Georgia. It's always good to have more blacks in there fighting for us and doing the job our candidates can't.

[...]
12. Admit it: We like the Bush twins and we don't want them to go away.

[...]
14. Bush is now a lame duck president. He will have no greater moment than the one he's having this week. It's all downhill for him from here on out -- and, more significantly, he's just not going to want to do all the hard work that will be expected of him. It'll be like everyone's last month in 12th grade -- you've already made it, so it's party time! Perhaps he'll treat the next four years like a permanent Friday, spending even more time at the ranch or in Kennebunkport. And why shouldn't he? He's already proved his point, avenged his father and kicked our ass.

15. Should Bush decide to show up to work and take this country down a very dark road, it is also just as likely that either of the following two scenarios will happen: a) Now that he doesn't ever need to pander to the Christian conservatives again to get elected, someone may whisper in his ear that he should spend these last four years building "a legacy" so that history will render a kinder verdict on him and thus he will not push for too aggressive a right-wing agenda; or b) He will become so cocky and arrogant -- and thus, reckless -- that he will commit a blunder of such major proportions that even his own party will have to remove him from office.

16. There are nearly 300 million Americans -- 200 million of them of voting age. We only lost by three and a half million! That's not a landslide -- it means we're almost there. Imagine losing by 20 million. If you had 58 yards to go before you reached the goal line and then you barreled down 55 of those yards, would you stop on the three yard line, pick up the ball and go home crying -- especially when you get to start the next down on the three yard line? Of course not! Buck up! Have hope! More sports analogies are coming!!!

17. Finally and most importantly, over 55 million Americans voted for the candidate dubbed "The #1 Liberal in the Senate." That's more than the total number of voters who voted for either Reagan, Bush I, Clinton or Gore. Again, more people voted for Kerry than Reagan. If the media are looking for a trend it should be this -- that so many Americans were, for the first time since Kennedy, willing to vote for an out-and-out liberal. The country has always been filled with evangelicals -- that is not news. What IS news is that so many people have shifted toward a Massachusetts liberal. In fact, that's BIG news. Which means, don't expect the mainstream media, the ones who brought you the Iraq War, to ever report the real truth about November 2, 2004. In fact, it's better that they don't. We'll need the element of surprise in 2008.

Feeling better? I hope so. As my friend Mort wrote me yesterday, "My Romanian grandfather used to say to me, 'Remember, Morton, this is such a wonderful country -- it doesn't even need a president!'"
But it needs us. Rest up, I'll write you again tomorrow.

Yours,
Michael Moore«

wenigstens einer, der sich seinen humor bewahrt hat...

(via Spiegel online)

»bild-wörter«

»In den "Bild"-Redaktionen werden beständig neue Wörter produziert: selbsthaftende Etiketten für die kleinen Merkwürdigkeiten und das große Schlimme. Fast täglich werden es mehr. Eine unvollendete Sammlung, von niedlich bis menschenverachtend, von verharmlosend bis vorverurteilend.«
neu im BILDblog: »Das große "Bild"-Wörterbuch«

Donnerstag, 4. November 2004

»qualität kommt von quälen«

BILD-chef kai diekmann legt neue richtlinien für sein blatt fest:
»Wer sich bei heiklen Themen auf andere verläßt und keine eigenen Recherchen anstellt, paßt nicht zu uns. Übergeigte Überschriften, die vom Text nicht gehalten werden, haben in BILD nichts zu suchen. Texte, die man nicht versteht, Bildunterschriften, die lieblos hingerotzt werden, machen unsere Zeitung kaputt. Wer bei anderen abschreibt und dabei nicht mal in der Lage ist, Namen oder Fakten richtig abzuschreiben, gehört nicht zu BILD!

Was ich Ihnen hier beispielhaft sage, sind eigentlich selbstverständliche Standards. … Deshalb gilt bei der Beachtung unserer journalistischen Standards künftig: Null Toleranz! Qualität kommt von quälen. Und das erwarte ich von uns. Jeden Tag, immer wieder.«

(w&v, via BILDblog)

ja, isses denn die möglichkeit? are the times really a-changin'? und wenn ja, wem hätten wir's zu verdanken? herrn Diekmann? wohl kaum - eher doch denen hier, nicht wahr? ;o)

»Arafat tot?«

»Palästinenserpräsident Jassir Arafat ist nach Informationen des israelischen Fernsehens in Paris gestorben. Das berichtete am Donnerstag das öffentliche TV in Israel. Zuvor hatten französische Ärzte gesagt, er werde sich nicht wieder erholen". Der 75-Jährige sei in "extrem schlechter Verfassung", hieß es in Medizinerkreisen am Percy-Militärhospital bei Paris.

Arafat war demnach an lebenserhaltende Maschinen angeschlossen und reagierte nicht mehr auf seine Therapie. Arafat war zuvor auf die Intensivstation des Krankenhauses verlegt worden. Gesicherte Informationen über die Ursachen für die plötzliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes wurden nicht mitgeteilt.
Aus der palästinensischen Delegation in Frankreich verlautete, Arafat habe seit Mittwoch drei Mal das Bewusstsein verloren und es seit der Nacht zum Donnerstag nicht wiedererlangt. [...]

Israels Regierung befürchtet bei Arafats Tod Ausschreitungen radikaler Palästinenser. Die israelischen Streitkräfte in den Palästinensergebieten wurden deshalb in Alarmbereitschaft versetzt worden. Wie am Donnerstag aus Sicherheitskreisen verlautete, wurde die Entscheidung nach einem Treffen des israelischen Verteidigungsministers Schaul Mofas mit Vertretern verschiedener Geheimdienste getroffen. Generalstabschef Mosche Jaalon berief die Befehlshaber der verschiedenen Zonen in den Palästinensergebieten ein.«

(Quelle: ZDF/dpa, AFP, 17:40 uhr)

doch - schau! - nur ein minütchen später heißt es an selber stelle:
»Palästinenserpräsident Jassir Arafat ist nach Informationen des israelischen Fernsehens in Paris gestorben. Das berichtete am Donnerstag das öffentliche TV in Israel. Der Palästinensische Ministerpräsident Kureia bestreitet das allerdings. Arafat sei nicht "klinisch tot", sagte er.«
(17:44 uhr)
nachrichtenagenturen, eben...
abwarten, tee trinken, hoffen!

und - nochmal schau! - wiederum nur ein minütchen später lautet der absatz nun so:
»Palästinenserpräsident Jassir Arafat ist nach Informationen des israelischen Fernsehens in Paris gestorben. Das berichtete am Donnerstag das öffentliche TV in Israel. Auch der luxemburgische Ministerpräsident Juncker bestätigte seinen Tod. Der Palästinensische Ministerpräsident Ahmed Kureia bestritt das allerdings. Arafat sei nicht "klinisch tot", sagte er.«
(17:46 uhr - screenshot) was mag wohl der luxemburgische ministerpräsident damit zu tun haben?

und - schwupps! - nochmal präziser:
»Palästinenserpräsident Jassir Arafat ist nach Informationen des israelischen Fernsehens in Paris gestorben. Auch der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker bestätigte seinen Tod. Arafat sei "vor 15 Minuten" gestorben, sagte er am Donnerstagabend vor Beginn des EU-Gipfels in Brüssel. Der Palästinensische Ministerpräsident Ahmed Kureia bestritt das allerdings. Arafat sei nicht "klinisch tot", sagte er.«
(17:49 uhr; der text unterhalb dieses eingangsabchnitts blieb bislang übrigens immer derselbe)
schön, dass man bei »heute« so akribisch am werke ist...

und tatsächlich! - um 17:58 uhr ist auf selbiger seite (s.o. - screenshot) zu lesen:
»Verwirrung über den Zustand des Palästinenserpräsidenten Jassir Arafat: Berichte über dessen Tod sind am Abend wieder dementiert worden. Ein Sprecher des französischen Militärkrankenhauses in Clamart widersprach am Donnerstagabend den Angaben des luxemburgischen Regierungschefs Jean-Claude Juncker. Juncker hatte zuvor in Brüssel gesagt, Arafat sei "vor 15 Minuten" gestorben.«
weiterhin heißt es:
»Juncker nahm seine Erklärung kurz darauf zurück. Das teilte ein Mitarbeiter Junckers am Donnerstag in Brüssel mit. US-Präsident George W. Bush, der von Journalisten auf den angeblichen Tod Arafats angesprochen wurde, sagte in Washington: "Mein erster Gedanke ist, Gott sei seiner Seele gnädig." Auch das war vor dem Dementi der Ärzte in Frankreich.«
[ Bush nun wieder, aber was solls... (interessant dennoch, dass er dieselbe formel benutzt, die in den USA bei der verlesung von todesurteilen in der hinrichtungskammer angewendet wird...) ]

also, das mit der spannungskurve haben die 'kollegen' vom ZDF schon gut raus - aber müssen die ihre drehbuchschreiber unbedingt in die nachrichtenabteilung setzen?

18:07 uhr: das ZDF schiebt einen vorsichtigen zusatz in seine meldung (screenshot) ein:
»ZDF-Korrespondent Alexander von Sobeck hält es für wahrscheinlich, dass Arafat tatsächlich tot sei. "Ich kann mir nur vorstellen, dass die Nachricht von seinem Tod so weit wie möglich herausgezögert wird, um der Palästinenser-Führung Zeit zu geben, sich zu sortieren", so von Sobeck. Inzwischen wurde bekannt, dass Kureia von Arafat Befugnisse über Teile der Sicherheitskräfte und über die Finanzen übernommen hat. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.«
19:00 uhr: pünktlich zur heute-sendung hat das ZDF seinen bericht nun generalüberholt und mit einem etwas dramatischeren bild (screenshot) versehen. der eingangsabschnitt lautet nun:
»Um das Schicksal des todkranken Jassir Arafat hat sich am Donnerstag ein beispielloses Nachrichtenchaos gerankt. Französische Ärzte und der palästinensische Ministerpräsident Ahmed Kureia dementierten Berichte über den Tod des palästinensischen Präsidenten. Das Chaos hält an: Hirntod vermelden die einen Ärzte. "Er lebt, sein Zustand wird aber immer schlechter", sagen die anderen.«
des weiteren heißt es:
»Unter Berufung auf die Todesnachricht, die im israelischen Fernsehen unter Berufung auf nicht genannte Quellen verbreitet wurde, erklärte US-Präsident George W. Bush zuvor: "Gott sei seiner Seele gnädig." Arafats Stabschef Ramsi Churi rief daraufhin einen AP-Reporter an. "Ich stehe hier neben dem Bett des Präsidenten. Er ist in kritischem Zustand", sagte er vom Militärkrankenhaus Percy bei Paris aus.

Arafats Leibarzt Aschraf Kurdi sagte dem israelischen Sender Kanal 2: "Arafat lebt noch." Der belgische Ministerpräsident Jean-Claude Junker veröffentlichte vor den Dementis eine Erklärung: "Herr Arafat starb vor 15 Minuten." Wenig später zog die Regierung die Erklärung zurück. "Es handelte sich um ein Missverständnis", sagte ein Sprecher. Zuvor hatte Juncker noch mit Chirac telefoniert.

[...] Der französische Sender LCI meldete unter Berufung auf einen nicht namentlich genannte Arzt, Arafat befinde sich in "irreversiblen Koma" und werde künstlich beatmet. [...]

In Ramallah im Westjordanland kamen führende palästinensische Politiker zu einer Krisensitzung zusammen. Ministerpräsident Kureia und Außenminister Nabil Schaath wollten noch am Abend oder am Freitag in den Gazastreifen reisen, um einen möglichen Gewaltausbruch zu verhindern, wie ein Mitglied der Autonomiebehörde mitteilte.

Die israelischen Streitkräfte wurden in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Israel befürchtet beim Tod Arafats Ausschreitungen in den palästinensischen Gebieten. Ministerpräsident Ariel Scharon hat bereits angekündigt, er werde nicht zulassen, dass Arafat in Jerusalem beerdigt wird. Die jüngsten Entwicklungen standen am Donnerstag im Mittelpunkt einer wöchentlichen Sitzung der israelischen Sicherheitskräfte, an der auch Heereschef Mosche Jaalon und Verteidigungsminister Schaul Mofas teilnehmen sollten.

Am Mittwoch hatte sich Arafat nach Angaben der palästinensischen Gesandten in Frankreich, Leila Schahid, noch kräftig genug gefühlt, um nach dem Ausgang der US-Präsidentenwahl zu fragen. Ein Berater hatte am Abend eine Erklärung in Arafats Namen veröffentlicht, in dem dieser George W. Bush zur Wiederwahl gratulierte.

Der Tod Arafats hätte nach Ansicht von Schimon Peres, der nach dem Oslo-Abkommen 1994 gemeinsam mit Arafat den Friedensnobelpreis verliehen bekam, große Auswirkungen auf den Nahostkonflikt. "Es bildet sich schon eine neue Führung", sagte er im Armeeradio. Diese sei sehr zielstrebig, um das schreckliche Problem der palästinensischen Nation zu lösen. "Sie müssen ihren größten Fehler korrigieren: dass Terroristen die Politik übernommen haben."«

stay tuned!

p.s.: das ganze drama nochmal zusammengefasst zur »chronik eines angekündigten todes« bei Spiegel online. (tja, und wir waren live dabei!)

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