Samstag, 6. November 2004

»wenn wir glück haben...«

»..., wird [Bush] Berater ernennen, die aus der Zeit nach dem 11. September 2001 den Schluß gezogen haben, daß Weltmachtpolitik nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie - vielleicht ganz entgegen den religiösen Überzeugungen des Präsidenten - als Politik mit der Welt und in der Welt vorgetragen wird. Der Traum von einem an den Vereinten Nationen vorbei seine eigene Weltordnung durchsetzenden und tragenden amerikanischen Reich ist ausgeträumt - weil zu wenige Länder und ihre Regierenden bereit waren, sich auf diese ja durchaus mögliche Vision einzulassen.«
etwas müder, bemüht optimistischer schluss eines ansonsten sehr lesenswerten artikels von Hans-Ulrich Gumbrecht über die amerikanische mentalitätskrise nach der wahl.

»... schon viel zu lange hier«

»semesterbeginn. soziale kontakte werden geknüpft.

"und seit wann studierst du jetzt hier?"
"1997."
"oh. da war ich 13."

(für nächstes jahr merken: kommunikation mit erstsemestrigen studentinnen unbedingt auf smalltalk beschränken. alternativ die graue strähne besser rauskämmen, auf vorrechtzeitiges mitgefühl hoffen.)«

das kenn ich - oohja... ;o)

»gb-frust«

»Wer kennt das nicht? Man überprüft sein Gästebuch auf neue Einträge. Dabei sind auch solche wirklich ehrlicher Art. Aber immer häufiger liest man Zeilen wie "Gute Seite, weiter so" und Ähnliches.

Manche Besitzer einer eigenen Homepage machen sich auch die Mühe und verfassen einen schönen, langen und lobenden Eintrag. Nur ärgerlich, daß man diesen im gleichen Wortlaut in vielen, vielen anderen Gästebüchern im Web wiederfindet. Aber es ist ja sooo einfach. Den Text in die Zwischenablage kopieren und dann in jedes Gästebuch, das man unterwegs findet.«

aus frust über diese wahrlich unglaublich unselige unsitte hat sich nun eine initiative »gegen copy & paste in gästebüchern« gegründet, die ja auch ganz nett sein könnte, wenn - jaaa, wenn diese leute ihre sache bloß nicht so bierernst nehmen würden...

p.s.: erinnert das nicht entfernt auch an den »kommentarspam«- bzw. »falschlinker«-frust, der sich derzeit in der blogosphäre ausbreitet?

»mit feingeschliffner rede hab ich nichts im sinn...«

was macht man wohl als erstes, wenn man sich ein historisches, gar etymologisches wörterbuch angeschafft hat? klar, man schaut nach, ob auch alle schimpf- und schandwörter vorhanden sind, die man so kennt!
gerne würde ich von mir behaupten, dieser schwäche nicht erlegen zu sein, aber dann streifte mein blick beim durchblättern eines solchen werkes natürlich rein zufällig folgenden eintrag:

Fickmühl, f. [...] An seiner Aeltern Hause, diesem Mädchen etc. eine gute Fickmühle haben.

(quelle: westerwäldisches idiotikon, oder sammlung der auf dem westerwalde gebräuchlichen idiotismen, mit etymologischen anmerkungen und der vergleichung anderer alten und neuen germanischen dialekte von Karl Christian Ludwig Schmidt, gräflich-leiningisch-westerburgischem pfarrer und consistorialis. hadamar und herborn, in der neuen gelehrten-buchhandlung, 1800. [reprint: landesmuseum koblenz, 1982.])

aber ich sach da gar nix zu! nee, geh fott!

p.s.: für alle, die es noch nicht wussten: ja, ich bin aus'm westerwald! (mp3, 2,73 MB) und komm mir keiner mit blöden sprüchen! ;o)

»das große feiertag-bashing«

nochmal zur feiertagsdebatte:

nachdem sich kanzler und finanzminister ob der gescheiterten streichung des 3. oktober (nicht des »tags der deutschen einheit«, wie die meisten medien behauptet haben!) in die schmollecke verzogen haben, dürfen nun CDU und BDI mit folgendem vorschlag auftrumpfen:
»Man könne den Dreikönigstag streichen, heißt es aus der CDU, oder den 1. Mai. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) rechnet vor, dass die Rückkehr zur 40-Stunden-Woche sogar einer Streichung von elf Feiertagen gleich käme.

[...]
Die von der Regierung geplante Verlegung des Tags der deutschen Einheit auf einen Sonntag hätte [BDI-Präsident] Rogowski für "vertretbar" gehalten. "An einem Sonntag können wir uns doch genauso über die Einheit freuen", sagte er. Dies gelte jedoch auch für den 1. Mai. "Welcher Feiertag wäre uns eigentlich wichtiger: Der, den uns die ostdeutschen Bürgerrechtler beschert haben, oder der, den wir bekanntlich von Adolf Hitler 'geschenkt' bekommen haben?" frage er.«

(Quelle: ZDF/dpa u.a.)

und wieder lebt der mythos. mal davon abgesehen, dass herr R. freilich geflissentlich übersieht, dass der 1. mai der einzige nicht-religiöse international begangene feiertag ist - ihn als »geschenk Hitlers« darzustellen und damit als überbleibsel aus »finsterer zeit« zu brandmarken, ist »bekanntlich« ungefähr genauso wahr wie die autobahn-legende. aber wer weiß, vielleicht ist der herr R. ja prinzipientreu und benutzt daher keine autobahnen?

gegen die abschaffung eines feiertages ist im grunde natürlich nichts einzuwenden, aber die herren diskutanten sollten sich doch lieber auf sachliche und vernünftige argumente beschränken. und nebenbei ein wenig nachhilfe in deutscher geschichte zu nehmen, wäre wohl auch keine schlechte idee...

p.s.: abschaffen ja, aber welchen feiertag denn nun? also, mir persönlich gefällt der vorschlag von herrn Schorlemmer bislang am besten:
»"Mein Favorit ist der Himmelfahrtstag. Ich denke, die Männer können auch am Sonntag drauf Fahrrad fahren und saufen."«
(Quelle: s.o.)

»polite fiction«

»One of my favorite concepts in anthropology is that of the polite fiction. It's something nobody believes, but we all pretend to because it makes life so much easier. My favorite example was of a Pygmy couple. Pygmy divorce involves quite literally breaking up the home: the couple tears apart their house (it's easy - the houses are made of leaves) and once it's down, the union is dissolved. One anthropologist was watching a long-married couple have a fight. It escalated until the wife threatened to leave, and the husband yelled something along the lines of "Fine!" and there was nothing the wife could do but start tearing down the house. She began tearing the roof off, clearly miserable. The husband looked wretched too, but at this point neither could back down without losing face and by now the whole village was watching.

Finally, the husband called out the Pygmy equivalent of "You're right, honey! The roof is dirty! It'll look much better once we get those leaves washed!" The two of them started carrying leaves down to the river, soon with the help of the whole village, and then washed and rebuilt the whole roof. When the anthropologist later discreetly asked how often one washes the roof, everyone looked at him like he was a complete doofus.

The polite fiction of the porn section is that, while people do generally use porn for the purpose of masturbation, there is no reason to believe that this particular customer will be doing so. He could be using them for his Master's thesis. Hell, he may not get around to watching them at all. We all like to believe that. When it becomes all too clear to everyone involved that said customer did, in fact, not only lube up, watch the tape, stroke himself to orgasm, and then grab the goddamned thing without even taking the basic courtesy of washing his goddamned hands first, we all get uncomfortable.

On the other hand, he gets angry because he's ashamed of something that was entirely avoidable and his own fault. I'm supposed to keep my temper even though I've just put my hand in a wad of his semen.

The destruction of the polite fiction is what creeps me out about one of my weekend regulars. He comes in when I open at nine, then chooses and rents two movies. He leaves for exactly two movies' worth of time, then returns them before four to get the matinee special. I hate it because there's no way to pretend he's been doing anything else. I just hope to God there's been a hand washing between him and me. I think there is, because his tapes are always clean, but it still gives me the shivvers and sends me straight to the hand sanitizer. It's just too much to know.«

(aus dem tagebuch einer pornovideothekangestellten; via sheep-on-a-meadow)

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